Trauerarbeit – 16.8.25

Trauerarbeit – 16.8.25

Unerwartet heftige Emotionen

Es ist schwer zu beschreiben, wie sich dieser Tag angefühlt hat. Ich dachte, ich wüsste, wie Trauer funktioniert. Ich dachte, ich kenne dieses Gefühl – nach Elsii, nach all unseren 4-Pfots die ich schon begleitet habe.

Aber dieses Mal ist es ganz anders – viel heftiger als ich erwartet habe. 

Vielleicht, weil die Verbindung zu Manni nicht so offensichtlich war, nicht Herz zu Herz wie mit meiner Mum. Vielleicht gerade deshalb trifft es mich auf einer Ebene, die ich nicht erwartet habe.

Gestern habe ich zwei Audios aufgenommen. Eigentlich nur für mich. Mit stockender Stimme, Tränenpausen und diesem Gefühl, dass alles viel zu nah und viel zu viel ist. Ich wollte sie nicht veröffentlichen, weil ich dachte: „Das ist doch peinlich, als erwachsener Mensch so zu weinen und kaum sprechen zu können.“

Aber weißt du was? Genau deshalb teile ich sie. Weil es echt ist. Weil es der einzige Weg ist, den ich gerade habe: sprechen, auch wenn die Stimme bricht.

Im ersten Audio erzähle ich vom „Rettungseinsatz“ – und davon, wie es sich anfühlt, plötzlich den Weg frei zu schneiden, ohne wirklich zu wissen, wohin.
Im zweiten gehe ich tiefer. Da kommen die Fragen, die Unruhe, die Wucht. Warum erschüttert es mich so sehr? Warum ist diese Trauer so anders, so ungewohnt?

Beide Aufnahmen sind roh, ungeschliffen, ohne Maske. Aber vielleicht gerade deshalb wertvoll. Vielleicht hörst du darin etwas, das dir selbst Mut macht.

Besser mal den Weg frei schneiden, falls wieder ein Rettungseinsatz nötig wird...

von Kerstin Hartwigsen

Trauer, Aktionismus, heftige Emotionen und heftige Erkenntnisse

von Kerstin Hartwigsen

Trauerarbeit – 16.8.25

Tränen, Chakren, Affirmationen & Verlust

Gestern Abend habe ich wieder eine Aura-Analyse gemacht. 

Die Affirmation dazu – eigentlich so simpel – und doch so schwer greifbar in diesem Moment: zwischen funktionieren und tiefem Absturz.

Ich weiß gerade nicht, was ich brauche – aber bitte, hilf mir, es zu erkennen.

Mein Wurzelchakra war fast nicht da, und genauso hat es sich angefühlt: als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.

Dazu kamen die Öle – und es ist verrückt, wie sie alle fünf so klar den Punkt getroffen haben. Balance für meine Emotionen, Stärkung für meine Verbindung, Aufrichtung inmitten von diesem Chaos. Es tat gut, auch wenn es schmerzhaft war, in den Spiegel zu schauen.

Und dann habe ich mir ein Herz gefasst und gesprochen. Einfach draufgedrückt, aufgenommen, mit Tränen in der Stimme, Pausen dazwischen, manchmal gar keine Worte. Früher hätte ich mich geschämt, das zu zeigen. Ein erwachsener Mensch, der nicht mal einen Satz zu Ende bringt. Aber diesmal habe ich es veröffentlicht. So wie es war: roh, ungeschminkt, echt. Es war mein Mutmoment – und vielleicht schenkt es auch anderen Mut.

Es hat gut getan. Wie immer. Aber da war so eine Unruhe, so ein fetter Klumpen in meinem Magen, so viele Emotionen.

Also hab ich meine HandPan raus geholt, auf die Terrasse. An sich wollte ich von Malte Marten den „Polyrhythm“ üben, bin dann aber schnell abgeschweift. Intuitiv, war da ein Songtitel, ein WISSEN.

Das wird Teil von Mannis Abschied auf dem Friedwald.

The Sound of Silence. Zuerst die neuere Version, die mir immer im Kopf ist. Aber dann dachte ich an das Original von Simon & Garfunkel – Manni mochte das Lied. Er hätte gelächelt.

Trauerarbeit – 16.8.25

Magische Vorboten? und der Tag danach

Vorboten

Am Donnerstag, den 14. August, war da dieser Schmetterling. Fast eine Stunde lang wich er mir nicht von der Seite, setzte sich auf Kopf und Schulter, flog kleine Runden und kehrte immer wieder zurück. In diesem Moment dachte ich noch: Vielleicht ist das Elsii, die mir ein Zeichen schickt. Doch rückblickend, nach allem, was geschehen ist, spüre ich: Vielleicht war es Manni selbst, der sich da schon leise verabschiedete.

Schmetterlinge sind mehr als nur schöne Insekten – sie gelten als Seelenboten, als Brücke zwischen den Welten. Und dieser eine war nicht wie die anderen, die man so im Sommer sieht. Er wirkte selten, fast zart und schimmernd, und er blieb ungewöhnlich lange bei mir. Keine flüchtige Begegnung, sondern wie ein stilles Wachen.

Heute erscheint es mir wie ein magisches Vorzeichen – eine stille Ankündigung dessen, was kommen sollte. Ein Gruß, ein Trost, ein letzter Wink: Du bist nicht allein.

Trauer, Organisation, Tränen und ein Nachbar der keine Grenzen oder Anstand kennt

Der Freitagmorgen begann mit Telefonaten, die ich führen musste, und mit einer Bestatterin, die wir schon von Elsii kannten: Jutta Schäfer. Allein ihr Name im Telefon war schon Trost und Erinnerung zugleich. Sie wusste, was zu tun war, sie nahm mir ab, wo ich nur hilflos im Nebel stand.

Doch während drinnen alles seinen schweren, aber notwendigen Lauf nahm, war da draußen das Gegenteil von Würde und Stille. Unser Nachbar – mit seinem eigenen, so offensichtlich verbitterten Leben – kniete heimlich hinter seinem Dachvorsprung an der Eingangstür, um jedes Wort aufzuschnappen. Ich habe das schon bei den Rettungseinsätzen gespürt, dieses heimliche Lauschen. Aber an diesem Tag, als der schwarze Wagen vorfuhr, als zwei schwarz gekleidete Frauen mit der schwarzen Trage vor unserem Haus standen, da war es besonders grausam. Ein Mensch, der in seinem eigenen unzufriedenen Leben gefangen ist, der nichts anderes tun kann, als dem Leid anderer nachzuspionieren. 

Armer Tropf….

Da war auch das Gefühl von Loslassen, von weiterführender Begleitung. Gespräche, die erledigt werden mussten. Papiere, die auf einmal wichtig wurden. Entscheidungen, die getroffen werden mussten.

Zwischen all dem Pflichtprogramm, zwischen schwarzem Wagen und Telefonklingeln, blieb immer wieder ein Moment der Stille. Ein Blick nach oben, zum Himmel, wo ich die Botschaft vom Vortag noch spürte. Der Schmetterling war nicht mehr da, aber sein stiller Gruß hielt mich.

Stille im Haus eingekehrt war, kam die Realität endgültig an. Und doch – wie so oft in solchen Momenten – schwankte ich zwischen Aktionismus und Tränen. Ich begann, aufzuräumen, wusch sogar Mannis Schmutzwäsche, als könnte ich damit Ordnung in das Chaos bringen. Im Nachhinein habe ich mich gefragt, wie absurd das war. Aber vielleicht war es genau das: ein letzter Versuch, Halt zu finden.

Später dann hielten wir unser kleines Ritual ab – Fisch und Chips, wie immer mit Mesi, der an diesem Abend besonders nah bei uns war. Zwischen knusprigen Pommes und der Frage „Wie soll es jetzt weitergehen?“ entstand ein stiller Plan: Wie können wir es für Mesi gut machen? Wie können wir ihn in unser Rudel integrieren, ohne die beiden Hundeomas zu gefährden?

Doch so sehr wir uns bemühten, Normalität zu schaffen, die Nacht blieb unruhig. Um drei Uhr – wie schon die letzten Tage – wachte ich auf. Genau zur Zeit des Lungen-Meridians, der nach der TCM für die Trauer zuständig ist. Ein symbolischer, fast schon zynischer Hinweis des Körpers, dass es keinen leichten Weg gibt, durch diesen Abschied zu gehen.

Trauerarbeit – 16.8.25

Ein Déjà-vu, nur schlimmer

Kaum eine Woche nach der Entlassung begann alles von vorne.


Wie schon vor der letzten Krankenhauseinweisung: wieder Stürze.
Diesmal noch häufiger, noch unsicherer. Dazu diese merkwürdige Sprache, abgehackt, verworren – als würde er manchmal neben sich stehen.

Die Atemnot war heftig, schwer und hörbar. Ich sah, wie sehr er kämpfte, und gleichzeitig war klar: das System war überfordert. Für den Arzt galt er als „verbessert“, im Entlassungsbericht stand nichts über die Lungenentzündung, kein Wort darüber, ob sie ausgeheilt war oder nicht.

Zu Hause aber war nichts besser. Pflegedienst, Schriftverkehr, Anträge – all das lief, aber im Alltag wurde er immer schwächer. Ich war wachsam wie nie, jeder Schritt, jede Bewegung war ein Risiko.

Und während ich versuchte, irgendwie Struktur in diesen Wahnsinn zu bringen, wusste ich im Innersten schon: Wir sind am Rand.

Kämpfe, Gespräche – Gesprächsversuche – Krankenhaus, Patientenfürsprecher, Pflegedienst etc. 

Dann kam dieser Dienstag, der 12. August.

Zweimal war der Hausnotruf in kurzer Zeit da. Einmal hatte ich Glück, war zu Hause, konnte reagieren, mit auffangen, mit organisieren. Aber beim zweiten Mal war ich nicht da. Ausnahmsweise, und ausgerechnet an diesem Abend. Ich hatte mir etwas gegönnt: einen Qigong-Abend, mit Handpan, mit Musik, mit Lachen.

 

Gott sei Dank war Torsten da, mein Mann. Hat Manni hochgeholfen, mit dem Hausnotruf gesprochen, versucht Dinge in die Wege zu leiten, Manni zu helfen.

Am Mittwoch, dem 13., schien es erst wieder etwas besser. Ich war bei ihm, habe nach ihm geschaut, ihn unterstützt, vernebelt, versorgt – unsere kleinen Rituale, unser Alltag zwischen Fürsorge und dem Versuch, Normalität aufrechtzuerhalten.

Auch am Donnerstagmorgen, dem 14., war er ok, hat sich versorgt, sogar mit Mesi zusammen. Es wirkte fast normal.

Mittags war dann seine Ilona, vom Pflegedienst da. Mit einem neuen Kollegen, der dachte, er könne mit Mesi ein Gespräch führen. Ich hab Mesi und seine Bellerei gehört. Bin hingerannt und erst mal dafür gesorgt, das Mesi ins Häuschen gehen kann.

Manni war total atemlos, stand über seinen Rollator gebeugt im Flur und hat um Atem gerungen. Ilona hat ihm geholfen, er hat sich beruhigt und ich hab sogar Lachen zu mir rüber schallen hören.

 

Und dann kam der Donnerstagabend.

 

 

Ich war draußen im Garten, beim Gießen. Und während ich dort stand, hörte ich plötzlich dieses schwere, laute Atmen. Ungewöhnlich, auffällig. Ich hielt inne, lauschte, unsicher, ob ich mich täuschte.

Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben. Wenige Minuten später – ich weiß nicht, ob es zehn oder fünfzehn waren – sind Torsten und ich zu Manni gegangen. Durch Job und gießen waren wir später dran und es war Zeit, das Abendessen für Manni vorzubereiten.

Und haben ihn gefunden und sind maßlos erschrocken. 

Er lag im Rollator gekippt, halbsitzend, als hätte der Körper einen letzten Versuch gemacht, sich aufzurichten. Kein Atem mehr. Keine Bewegung. Nur eine tiefe Stille.

Aber ein ganz friediches, entspanntes Gesicht. Das ist mir als 1. aufgefallen.

Merkwürdig, worauf sich unser Gehirn in Krisenzeiten fokussiert.

Wir riefen den Rettungsdienst, begannen sofort mit der Reanimation. Minuten später waren die Sanitäter da, kurz darauf auch der Notarzt. Alles lief wie im Lehrbuch – schnelle Handgriffe, professionelle Abläufe. Doch inmitten dieser Versuche, sein Herz zurückzuholen, spürte ich es deutlich: Es gibt kein Zurück mehr. Nicht für Manni.

Nach einigen Momenten sprach ich es laut aus: „Lasst ihn gehen. Lasst ihn friedlich gehen.“

Manni hatte seine Entscheidung schon getroffen. Es gab kein Zurück mehr.

Die Sanitäter legten ihn behutsam wieder in sein Bett, sorgsam, fast zärtlich. Dafür war ich in diesem Moment unendlich dankbar.

Und dann begann der andere Teil dieser Nacht. Papierkram, Telefonate, Fragen. „Wen muss ich anrufen? Wie geht es weiter?“ Ich fühlte mich wie in einem Nebel, stand nur da, verwirrt, unfähig, wirklich klar zu denken. Zum Glück fiel schnell der Name Jutta Schäfer – unsere Bestatterin, die uns schon bei Elsii begleitet hatte.

Doch vorher musste ein Arzt kommen. Unsere Hausärztin war im Urlaub, also sollte der Amtsarzt gerufen werden. „Das kann dauern“, hatte man mir gesagt. Und so irrte ich draußen im Garten herum, unfähig zu sitzen oder zu stehen. Ich sah den Mond, die Sterne, griff nach jedem kleinen Halt, den dieser Himmel mir geben konnte.

Gegen halb eins kam er dann. Leitender Stationsarzt, wie er erzählte, war er früher. 

Er stellte nicht nur den Tod fest, er stellte Fragen. Viele Fragen. Fast wie eine Anamnese. Fragen, die ich im Krankenhaus erwartet hätte, von den behandelnden Ärzten. Und er gab mir sogar Hinweise, was eigentlich hätte passieren müssen, welche Schritte bei Mannis Krankengeschichte sinnvoll gewesen wären.

Zwischendurch sprach er offen über das System, über das, was im Hintergrund läuft. Dass in unserem Krankenhaus keine Ärzte mehr an der Spitze stehen, sondern reine Wirtschaftsleute. Dass Profit über Gesundheit geht. Dass Liegezeiten in Kategorien eingeteilt werden, mit dem klaren Auftrag, möglichst die kürzeste zu wählen. Und wenn es gar nicht anders geht, dann landet ein roter Aufkleber in der Patientenakte – ein stiller Befehl zur Entlassung.

Ich hörte ihm zu, und innerlich dachte ich nur: Genau das ist mein Gefühl gewesen. Genau das haben wir in den letzten Wochen erlebt.

So endete diese Nacht: mit der offiziellen Bestätigung von Mannis Tod – und mit dem bitteren Wissen, dass er nicht nur gegen seine Krankheit, sondern auch gegen ein System gekämpft hatte, das längst aus den Fugen geraten ist.

Trauerarbeit – 16.8.25

Unser krankes Krankensystem

Vorboten

Die Woche vor dem 31. Juli war geprägt von Stürzen, Unsicherheit und Momenten, die nicht zu Manni passten. Plötzlich eine merkwürdige Sprache, ein ganz anderes Verhalten. Für mich war klar: irgendetwas stimmt nicht.

31. Juli – Krankenhaus

Der Notdienst brachte Manni in die Notaufnahme. Ein Assistenzarzt, offensichtlich überfordert, rief im Vorbeigehen nur „Lungenentzündung!“ – und verschwand wieder. Aufgenommen wurde er trotzdem, doch das Wochenende stand bevor: kein Arzt, kein Gespräch, keine echte Information.

Zwischen Akten und Anschuldigungen

Statt um den Patienten drehte sich plötzlich alles um Formalien. Schriftverkehr, Diskussionen, Patientenfürsprecher – als ginge es darum, Schuldige zu suchen, nicht um Hilfe zu leisten. „Sie waren nicht da.“ „Wir haben Sie nie gesehen.“ Worte, die mehr verletzten als unterstützten.

7. August – Entlassung

Nach nur einer Woche hieß es: „verbesserter Allgemeinzustand“. Doch was heißt schon „verbessert“? Kein Hinweis, ob die Lungenentzündung ausgeheilt war. Kein klarer Plan, wie es weitergehen sollte. Nur ein Zettel, ein Datum – und wir standen wieder alleine da.

Vor gut einer Woche ahnte ich nicht, wie nah wir schon am Ende waren. Die Entlassung brachte uns keine Sicherheit, sondern eine neue Unsicherheit.

 

Was danach kam – die letzte Woche zu Hause, die Kämpfe, die Hilflosigkeit – führte direkt in die letzte große Prüfung meines Lebens mit Manni.